Matera – die Höhlensiedlung
Gestartet hat die „Städtchen“-Tour in Matera, in der Region Basilikata, nahe der Grenze zu Apulien. Berühmt ist Matera wegen der Höhlensiedlung „Sassi di Matera“, die seit 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Diese einzigartige Felsenstadt wollte ich mit eigenen Augen erleben.





Ich nähere mich dem centro storico von oben, ziehe die Sonnenbrille an und blicke hinunter auf eine blendend weisse, dicht verschachtelte Häuserlandschaft. Es zieht mich weit hinunter. In den vom Morgenlicht durchfluteten Gässchen unterwegs zu sein, ist faszinierend und sehr berührend. Zur Freude von Peppina huschen auch einige streunende Katzen um die Ecken der Häuser. Noch ist es kühl und still. Ich höre das Kreischen der Mauersegler und folge ihren waghalsigen Flügen. Das grelle Licht prallt an den Fassaden ab, fliesst über die steilen Wege hinunter bis zur Felsenkirche, die ebenfalls direkt in das Tuffgestein geschlagen wurde.
Alles wirkt organisch verwachsen und doch funktional durchdacht. Ich tauche ein in ein Labyrinth mit Wasserkanälen, Zisternen, Brotöfen und Speichern. Unglaublich, dass dieser Ort in den 1950er-Jahren als „Schande Italiens“ galt – damals gab es weder fliessendes Wasser noch Kanalisation. Die Bewohner wurden umgesiedelt, die Höhlenwohnungen geschlossen. Erst ab den 1990er-Jahren begann die behutsame Rückkehr und Sanierung – heute gilt Matera als architektonisches Meisterwerk.


Am zweiten Morgen fahre ich auf die gegenüberliegende Seite der Stadt, zum Parco della Murgia Materana – ein karger Höhenzug mit verstreuten Höhlenkirchen und einem der schönsten Ausblicke auf Matera.
Nach einem halbstündigen Spaziergang zum Rand der Schlucht leuchtet die Stadt in der aufgehenden Sonne wie ein goldenes Gemälde in der Landschaft.
Alberobello – Trulli – Pilze im Olivenhain
Nach dem stillen Staunen über Matera, ihre Höhlenwohnungen und das goldene Morgenlicht zieht es mich weiter Richtung Osten – durch das Hinterland Apuliens, vorbei an knorrigen Olivenbäumen, halb verfallenen Gehöften und steinigen Trockenmauern. Die Strassen sind ruppig, stellenweise löchrig. Ich bleibe konzentriert – nicht nur der Aussicht wegen, sondern auch der Achsen meines VW California zuliebe.




Nach etwa zwei Stunden Fahrt taucht plötzlich ein ganz anderes Bild auf: Alberobello – die Hauptstadt der Trulli, jener seltsamen, weiss getünchten Rundhäuser mit den spitzen Kegeldächern. Auch hier habe ich das Gefühl, in eine andere Welt einzutauchen.
Die Trulli bestehen aus dicken Kalksteinplatten, die ohne Mörtel aufgeschichtet sind, so dass ein massives, kegelförmiges Dach entsteht. Oben thront jeweils ein weisser Spitz – manchmal schlicht, manchmal mit geheimnisvollen Symbolen bemalt.


Nicht nur im Zentrum von Alberobello kann man sie bewundern – auch unterwegs, auf den Überlandfahrten, tauchen sie auf: einzeln, in Grüppchen, wie steinerne Pilze zwischen Olivenbäumen.
Es wird erzählt, dass ein Adliger diesen Baustil einst vorgeschrieben hat, um für seine Bauern Steuern zu sparen. Im damaligen Königreich Neapel wurden Abgaben auf den Bau neuer Siedlungen erhoben. Der Graf von Conversano wollte das umgehen, indem er nur den Bau von Trulli erlaubte – in Trockenbauweise, ganz ohne Mörtel. So galten sie als temporäre Unterkünfte, die jederzeit wieder abgebaut werden konnten. Auch das war also schon eine Art Tiny House, einfach, klug und zweckmässig gedacht.
„E se non è vero, è ben trovato„, pflegte meine Mutter zu sagen. Und ich glaube: sie hatte recht.
Martina Franca – im Barock Stil
Nach einer Nacht im Wald-Vogel-Camp bei Alberobello – meine Campings haben eigene Namen, je nach Erfahrung bekommen – fahre ich weiter nach Martina Franca – ein Städtchen im barocken Stil. Üppig, reich verziert. Barock bedeutet für mich: zu viel von allem, als ob es kein Morgen gäbe. Und dennoch faszinierend vor allem im Kontrast zu den bäuerlich-schlichten Trulli und den kargen Höhlenhäusern von Matera.





Locorotondo – die Perlenkette
Nur fünf Kilometer weiter liegt Locorotondo. Der Name bedeutet „runder Ort“ und so erhebt er sich auch aus der Ebene, durch die ich fahre. Vorbei an unzähligen Trulli, einzeln oder in Gruppen zusammengebaut. Schon von weitem sehe ich den weissen Ort auf dem Hügel, mit der Kirche als Spitze.
Die Rebberge und Strässchen liegen wie Perlenketten um den Hügel – geordnet, schillernd im Sonnenlicht. Wieder ein ganz anderes Bild. Ein Städtchen, das sich selbst umarmt.


Ein Dach über dem Kopf
Alles sind sie Behausungen. Höhlen, Häuser, Orte, wo Menschen wohnen. Man fragt sich, wie jedes dieser Städtchen im Laufe der Jahrhunderte seine eigene Kultur entwickeln konnte – so unterschiedlich, und doch so gleich in ihrem Kern. Sie erfüllen Grundbedürfnisse der Lebewesen. Ob Sassi, Trulli, Palazzi, Kirchen, Vogelnester, Katzenhäuser oder mein VW-Bus – Es geht um:
Ein Dach über dem Kopf. Sicherheit. Geborgenheit. Zusammengehörigkeit.

Dass Du Deine Werte von Natur, Bewegung, Kreativität, Neugierde und Mut in der Leere wieder entdeckt hast – phänomenal!
Schön, von Dir als Mitreisender in deinen Berichten mitgenommen zu werden.
mit dir genieße ich deine Reise —- so tolle Bilder, so berührende Texte!
Es ist so schön, mit Dir zu reisen, ob mit oder ohne Enkel, aber immer mit Peppina. Danke, dass du uns daran teilnehmen lässt.