Tarotgarten und Lampo: Kunst und Abenteuer in der Toskana

Tarotgarten und Lampo: Kunst und Abenteuer in der Toskana

Lampo – der Eisenbahnhund

Schon lange wollte ich nach Campiglia Marittima.
„Was willst du denn an diesem trostlosen Bahnhof?“, fragten Freunde mit hochgezogenen Brauen.
„Lampo besuchen“, erklärte ich.
„Lampo?“ – „Ja, den Eisenbahnhund.“

In den 1950er-Jahren war dieser struppige Mischlingshund dem Bahnhofsvorsteher einfach zugelaufen. Von da an wich er ihm nicht mehr von der Seite – selbst nicht im Zug nach Hause. So wurde Lampo zum Stammgast auf den Schienen. Er kannte die Abläufe, stieg wie selbstverständlich in Passagierwagen, liess sich unterwegs von Zugköchen füttern und fand immer wieder zurück nach Campiglia Marittima.

Aber die Bahnverwaltung in Florenz hatte wenig übrig für sentimentale Geschichten. Der Bahnhofsvorsteher wurde gezwungen, Lampo wegzugeben – an einen Bekannten ganz im Süden, in Kalabrien. Ein Monat verging. Dann stand Lampo wieder am Bahnsteig – abgemagert, das Fell verlaust, aber mit diesem Blick, der sagte: „Ich bin wieder da.“ 300 Kilometer hatte er sich irgendwie durchgeschlagen.

Nun hatten auch die Ferrovie dello Stato ein Einsehen. Von da an trug Lampo ein Ticket um den Hals: Lampo, der Eisenbahnhund. Er durfte überall mitfahren – und bellte wütend, wenn jemand versuchte, ihm sein Ticket wegzunehmen.

Er starb – wie es für einen Eisenbahnhund fast unvermeidlich scheint – auf den Gleisen. Zum Gedenken stellte man ihm eine Statue aus Sandstein am Bahnhof von Campiglia Marittima auf. Genau die wollte ich sehen.

Doch der Anblick war traurig. Levin und ich suchten lange, bis wir schliesslich eine Holzkiste fanden – und darin das zerbrochene Denkmal. Der Kopf eingeklemmt zwischen den Brettern, staubig, vergessen. Auch Levin war still.

Eine kleine Herzensgeschichte. Und ein weiterer Moment, den ich mit einem Seufzer von meiner Bucketliste streichen kann.

(Foto und Textteile von ©P. Dr. Daniel Hörnemann, der Rest von unterwegs)

Vom eingeklemmten Hund in die Wunderwelt der Karten

Das Bild des in seiner Kiste eingeklemmten Lampo liess mich nicht mehr los. Er war nicht echt, nur aus Stein – und doch hätte ich ihn am liebsten befreit. Wir fuhren weiter südwärts, hinein in die Maremma. Die Landschaft veränderte sich. Sie wurde karger, trockener, hügeliger. Ich sehnte mich nach Üppigkeit, nach Farben, nach Leichtigkeit.

Und genau diesen Kontrast fanden wir im Parco dei Tarocchi, dem Tarotgarten von Niki de Saint Phalle – einer unglaublich vielseitigen schweizerisch-französischen Künstlerin, die zwischen 1979 und 1998 hier einen leuchtenden Themenpark erschuf. Ein Ort, der glitzert, tausendfach funkelt und über der toskanischen Landschaft schwebt wie ein Traum.

Sie schuf ein eigenes Universum aus 22 monumentalen Skulpturen – Figuren aus der Welt der Tarotkarten, begehbar, verspielt, tiefsinnig. Die Figuren aus kleinen Mosaiksteinen, Beton und knalligen Farben strahlt eine überbordende Lebenslust. Wir tauchten ein und staunten.

Tarotkarten – einfach erklärt:
Im Zentrum stehen 22 besondere Karten, die sogenannten grossen Arkana. Sie zeigen symbolische Figuren wie Der NarrDie LiebendenDer Turm oder Der Tod. Jede steht für eine Lebenssituation oder innere Haltung – Neubeginn, Entscheidung, Umbruch, Wandel.

Es gab viel zu staunen. Wir bestiegen die Figuren, gingen hindurch, berührten mit Lust die kalten Steinchen und zum Teil beschrifteten Keramiken. Jedes Plättchen war eigens an diesem Ort für diese Skulptur geformt und gebrannt worden. Was für eine überbordende Fantasie und welch unglaubliches Handwerk! Niki de Saint Phalle hatte ja auch zwanzig Jahre daran gearbeitet.

Mit einem wortgewandten, allwissenden Jugendlichen wie Levin über Tarotkarten zu diskutieren, kann fordernd sein – und wunderbar zugleich. Denn hier geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um Themen, die irgendwo zwischen Himmel und Erde schweben.Man muss keine Meinung haben – aber man darf denken, zweifeln, fragen. Die Skulptur Der Tod sorgte für ein besonders intensives Gespräch.

Die Skulptur Der Tod sorgte für ein besonders intensives Gespräch. Wir sassen auf einer Bank davor und philosophierten über das Loslassen. Über Veränderungen. Über Toleranz. Und über ein Universum, das wir vielleicht nicht immer verstehen – das aber da ist, uns herausfordert, und unser Leben so spannend macht.

Währenddessen zog Peppina schnüffelnd, mit der Nase am Boden und dem Schwanz leicht erhoben, herum – sie war läufig, und es gab hier offenbar eine ganz andere Welt zu entdecken. Für alle war es ein in Tag voller Gegensätze, Emotionen und Glitzermomente.

7 Gedanken zu „Tarotgarten und Lampo: Kunst und Abenteuer in der Toskana

  • Mai 23, 2025 um 8:56 am Uhr
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    Was für ein 🍀🍄 Levin doch ist, mit Grossmama übers loslassen sinnieren zu können 👍🏻🤩🥰

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    • Mai 23, 2025 um 1:29 pm Uhr
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      Danke liebe Christina, solche Momente sind wirklich sehr berührend und selten. Deshalb so kostbar. Liebe Grüsse

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  • Mai 23, 2025 um 9:28 am Uhr
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    Liebe Verena,
    wie schon immer wieder bedanke ich mich bei dir ganz herzlich, dass du mich – und natürlich auch andere Freunde und Bekannte – auf deine Reisen mitnimmst, uns deine so persönlichen Eindrücke zeigst, deine Gedanken dazu teilst.
    Ich sitze gern mit dir vor deinem Camper und genieße nebst einem Aperol-Spritz Sonnenuntergänge, spaziere mit dir am Strand entlang und spiele auch mit Peppina – oder kraule nur ihr weiches Fell.
    Genieß noch die restlichen Urlaubstage in Italien und komm wieder gut zurück!
    Alles Liebe Brigitte

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    • Mai 23, 2025 um 1:27 pm Uhr
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      Liebe Beigitte
      Ich schreib alles so gerne, weil ich auch weiss, dass andere Freude daran haben. Danke für deinen lieben Kommentar.

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  • Mai 23, 2025 um 2:06 pm Uhr
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    Die Geschichte über Lampo hat uns zu tiefst berührt und die Kunst von Nikki de Saint Phalle ist immer eine Augenweide. Danke für das Mitnehmen.🙏🏻
    Silvia und Urs

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  • Mai 23, 2025 um 11:30 pm Uhr
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    Es scheint, ich muss auch noch nach Campiglia Marittima fahren. Vielleicht füge ich den Besuch von Lampo auch meiner Bucket list bei. Zumindest werde ich mir das Buch von Elvio Barlettani (wenn auch vielleicht die deutsche Ausgabe: «Lampo fährt, wohin er will») besorgen. Eine schöne Geschichte! Etwas traurig allerdings wegen des arg lieblosen Eingesperrtseins. Vielleicht benötigen meine italienischen Halb-Connazionali etwas mehr Zeit für die Restauration des Denkmals. In Japan würde das mit Hashiko glaub nicht passieren. Jedenfalls danke für die Geschichte, die ich nicht kannte!
    Den Parco dei Tarocchi muss man einfach gesehen habe. Schöne Erinnerung daran.
    Alles Gute!

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    • Mai 25, 2025 um 6:44 am Uhr
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      Eine Reise in die Toskana lohnt sich immer, jetzt sogar Lampos wegen. . Hätte ich ihn doch mitnehmen sollen? Er hatte einfach keinen Platz im Büssli. Danke für deinen empathisch, schelmischen Kommentar. LG Verena

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