Zwei Fäden aus Dresden 3.-6.04.2017

Zwei Fäden aus Dresden 3.-6.04.2017

Zwei Fäden aus Dresden 3.-6.04.2017

Nach den erfüllten Tagen in Berlin fahre ich auf meiner Autoreise „Berlin und zurück“ etwas schweren Mutes weiter. 

Der Einzug in die Altstadt von Dresden ist von einem durchzogenen Himmel begleitet, die Prognose deprimierend und so entscheide ich mich eiligst zur Frauenkirche zu gehen, solange die Sonne noch scheint. Auf dem Platz angekommen, crashe ich beinahe in drei senkrecht stehende Busse. Verbeult, von Rost zerfressen und fensterlos stecken sie einer Mauer gleich in einen Betonsockel mit Armierungseisen. Dresden, Berlin, Mauer, kaputt, Trümmer. Kennen wir das nicht? Die Busse berühren. Wie sie dastehen neben der neu errichteten Frauenkirche. Schnell begreife ich, dass es ein Mahnmal ist. Es brennen Kerzen. „Friede“ steht geschrieben. Es ist Montag Nachmittag. Die gereizte Stimmung ist beklemmend, denn es ist der Wochentag der legendären Protestemärsche der Pegida. (unbedingt weiterlesen)

Aleppobusse vor der Frauenkirche

Spaziert man durch die aufgeräumte und grosszügige Altstadt mit Kirch- und anderen Türmen, Sandsteinmauern, Giebeln, Kupferspitzen und Goldverzierungen, so erinnert wenig an jenen 13. Februar 1945 als die Amerikaner Dresden mit Luftangriffen dem Erdboden gleich machten. So auch die Frauenkirche. Sie sollte über Jahrzehnte in Trümmer liegen. Da lag der Schutthaufen auch während der fast dreissig jährigen DDR Epoche, denn die Dresdener liebten ihre Kirche mit der markanten Steinkuppel. Sie waren nicht bereit diese aufzugeben, denn bereits Canaletto hatte sie auf Leinwand verewigt. (Zu sehen in der Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden)

Ausblick vom Turm der Frauenkirche
Busse und Frauenkirche
Aleppo Busse vor der Frauenkirche

Während die Einwohner und vor allem deren heute über alles verehrten Trümmerfrauen nach der Zerstörung anfingen Stein um Stein die Stadt zu reinigen und wieder aufzubauen, liessen sie die Frauenkirche liegen. Rosenranken sollen die Stelle umgarnt haben. Nach der Wende wandten sich die Dresdener an die Welt mit einem „Aufruf aus Dresden“ und sammelten in dieser Weise zweidrittel der erforderlichen Finanzen für den Wiederaufbau der Kirche. 2005 wurde sie mit 60’000 Menschen eingeweiht. Diese Geschichte bewegt mich. Die Dresdener haben sich ihrer Geschichte gestellt, gekämpft und sind stolz auf diese solidarische Leistung.

Da war noch die andere Geschichte mit den Rost-Bussen. Was war damit? Ich schaue ins Netz (Google sei Dank). Ein deutsch-syrischer Künstler hat dieses Mahnmal errichtet. Die Busse bildeten einst in der syrischen Trümmerstadt Aleppo eine Schutzmauer. Das ist nun Kunst und wurde vor zwei Monaten auf dem Platz eingeweiht. Kunst ist das was bewegt. Und es bewegt gewaltig. Die folgende kontroverse Auseinandersetzung wurde in allen medialen Kanälen hitzig geführt. Laut aktueller Tageszeitung versammelten sich die Bürger zu Demonstrationen und Versammlungen. In einem abschliessenden Artikel wird die Bevölkerung von Dresden für die konstruktive Auseinandersetzung, der sie sich aktiv gestellt hätten sehr gelobt. Syrien und die DDR pflegten eine langjährige Freundschaft, lese ich weiter. Es sei das erste Land gewesen, das einerseits mit Waffen, aber auch mit Hochschulstipendien unterstützt wurde. Daher gäbe es auch viele Syrier, die Dresden kennen und hier ihre Wurzeln haben. Wie geplant wurde die Kunst nun wieder abgebaut. Zufälligerweise stand ich da als die drei Sattelschlepper mit den an die Ladeflächen „gefesselten“ Busse zur Abfahrt nach Berlin bereitstanden.

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Warum erzähle ich diese zwei Erlebnisse? Als Blitzbesucher erlebte ich auf kleinstem Raum zwei bewegende Geschichten, die aus Trümmern entstanden sind und Kriege überstanden haben. Sie hängen in einer seltsamen Welt zusammen. Sie bergen auch die Hoffnung auf Vernunft, auf Gespräche, Beharrlichkeit und auf den Glauben an die Zukunft.

Dresden und Aleppo. Manchmal werden beim zweiten Blick Fäden gesponnen, die den Stoff des Friedens sein sollten.

Ein Gedanke zu „Zwei Fäden aus Dresden 3.-6.04.2017

  • Mai 6, 2017 um 12:36 pm Uhr
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    Super liebe Frau Prager, so eindrücklich beschrieben – war auch schon mal da direkt nach der Wende, wäre wiedermal Zeit für einen Besuch ! Danke – ich bin immer gespannt und lese ihre Berichte total gerne – noch gute Heimreise❣️?

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